FC Union Berlin x FCSP – 1:0
Ich mag Union nicht; und doch mag ich viele Menschen, die Union mögen. Was wie ein Widerspruch klingt, ist doch nur Ausdruck einer galoppierenden Ambivalenz, die mich befällt, wenn es um die Eisernen aus Berlin geht.
„Eine Präsenz, die ich lange nicht mehr …“
(Darth Vader)
Lange fünf Jahre hatten wir diesen Underdog-Klassiker nicht mehr. Unter anderem deswegen, weil der 1. FC Union Berlin seit fünf Jahren, nach dem Aufstieg und dem Ausverkauf an den Finanzmarkt, einfach kein Underdog mehr ist. Der Verein aus Köpenick ist die Nummer eins der Hauptstadt, was die Hipsterdichte und den sportlichen Erfolg angeht.
So gesehen gibt es doch Parallelen mit dem FC St. Pauli 😉
AFM-Radio und Sonnenuntergang im Cockpit
Freitag Nachmittag ist in den Sommermonaten Segelzeit – da konkurriert die eine Leidenschaft mit der anderen (auch wenn Segeln ja seit ein paar Jahren auch Vereinsaktivität ist 😉).
Mit zwei halben Dosenbier und einer leichten Decke machte ich es mir im Cockpit gemütlich. Die Sonne ging gerade über dem Hafenmeisterhäuschen unter, als ich die beiden Jungs vom AFM Radio zwischen meine Ohren klinkte.
Ob es in Berlin auswärts zum ersten Mal die viel beschworenen Umschaltmomente geben würde?; ich bezweifelte das ja schon in unserem Saisoneröffnungspodcast.
Union stand hinten drin und presste intensiv; so wie Heidenheim eine Woche zuvor, nur dass der FC St. Pauli noch weniger Zugriff auf die gefährlichen Zonen des Spielfeldes erhielt; von der Präzision der Abschlüsse (welche Abschlüsse?, fragt Markus) mal ganz zu schweigen.
Zum Schluss, auch so eine Parallele zur Heimniederlage, switcht Alex Blessin dann auf die alte Formation mit Dapo und Saad; sieht vertraut und powervoll aus – und hätte sich beinahe augezahlt, als Dapo leverkusisch in der 90+5. Minute leider zu unplatziert auszugleichen versucht.
Dieses Gefühl, sich in einer Zwischenzeit zu befinden, in der das Team und der Trainer sich noch nicht gefunden haben; das Alte noch überall in den Jungs steckt (suche den besser postierten Mann) und das Neue noch nicht flutscht, ist übermächtig. Ich wünsche den Boys in Brown, dass sie ihren Stil für diese Saison schnell finden, denn ansonsten stehen wir nach vier Saisonspielen mit null Punkten da und können noch nicht mal sagen: wir ziehen das durch, was uns ausmacht.
Was sonst noch los war: Social Media Flashbacks ohne Ende …
Blutsbrüderquatsch reloaded
„Bei Union weisst Du nie, was Du bekommst. Der eine umarmt dich, der andere haut dir auf die Fresse – von wegen Blutsbrüder.“
– Tommy von der AFM
Seit Jahren glüht mal wieder mein Eintrag zum Blutsbrüder-Mißverständnis, das ein freundschaftliches Verhältnis der beiden Vereine und Fanszenen initiierte.
Tl;dr: Es gibt keine wie auch immer geartete Fanfreundschaft mit den Leuten aus Köpenick – mit einzelnen schon – mit der Fanszene sicher nicht.
Wesentlicher Unterschied scheint mir zu sein, dass auf St. Pauli die Erkenntnis vorherrscht, dass Fußball sehr wohl eine politische Veranstaltung ist. Ist auch meine Ansicht. Wenn 29.000+ Menschen in einem Stadion und Tausende vor dem AFM-Webradio das Spiel verfolgen, in diesen zwei Stunden sich artikulieren und ja, auch medial inszenieren, dann ist das politisch. Da kann man sich gar nicht gegen wehren, man muss es aber auch zur Kenntnis nehmen und Wahrhaben wollen. „Unpolitisch“ sind erfahrungsgemäß die Faulen und die Rechten.
Wenn ich den Artikel dazu und meine eigene Erfahrung zusammennehme, dann scheint diese Diskussion beim 1. FC Union Berlin immer vermieden worden zu sein. Argumente, wie “das sind doch wenige” oder “das ist keine Politik, sondern Fußball” helfen da aber nicht weiter. Einer der wesentlichen Gründe, weswegen der FC St. Pauli in seiner heterogenen Streitkultur so einig erscheint: Es ist der Diskursraum, auf den wir uns geeinigt haben.
Wir bewegen uns nicht mit Rassisten, versuchen den Sexisten in uns zu zähmen (schwer genug 😉) und uns eint, bei allem Streit, das Bekenntnis zu den Grundsätzen der politischen Streitkultur.
Wie ich das Verhältnis zwischen Union und St. Pauli vor fünfzehn Jahren sah, kann man bei den netten Leudden von Textivergehen nachlesen.