… mit nichts Geringerem als dem Ziel, den modernen Fußball zu verändern
Ich habe viel gelernt in letzter Zeit – über Genossenschaften und so. (Meinen Blogbeitrag hier habe ich x-Mal upgedatet, auch wegen der vielen Diskussionen darum).
Ich tänzel permanent zwischen „Großer Wurf; Revolution; how cool is this!“ und „Naja, viel Schuldentilgung dabei, wenig Fantasie“ hin und her.
Ich bin Fan und Skeptiker der Genossenschaft zugleich. Typisch St. Paulianer 😉
Was mich am meisten freut: das Interesse anderer Fanszenen an dem Projekt. Ich würde mir auch wünschen, dass das was wird beim FCSP und dann viral geht in der Klub-Szene – und Oke Göttlich dann in nicht allzu ferner Zukunft bei der DFL Sitzung die Genossen aus Schalke oder Freiburg am Tisch begrüßt. Das Gesicht von Watzke und Rummenigge möchte ich sehen 🙂
Sie geisterte schon eine Weile im FC St. Pauli herum: die Idee einer Genossenschaft. Zuletzt kündigte Oke auf der MV 2023 an, diese Idee im Frühjahr 2024 zur Vorschlagsreife zu bringen.
„Wir werden im ersten Halbjahr 2024 dieses Finanzierungsmodell prüfen“ – Oke Göttlich auf der FCSP JHV 23
Nun ist sie gegründet! Und seit dem 7.11. können vorgemeldete Interessenten und ab dem 10.11. alle Teil dieses Finanzexperiments werden.
Spoiler: ich werde auch zeichnen – allein schon, um Oke mit „Hej Genosse“ begrüßen zu können!
Inzwischen steht fest, was ein Genossenschaftsanteil kostet: 850 Euro.
Geplant wird mit 1,6 Anteilen je Genoss:in, es werden also bummelig 25.000 Menschen und Körperschaften gebraucht, um die 30 Millionen zu generieren, die man braucht um sich mit 54% an der Stadiongesellschaft zu beteiligen.
Kaufen tut man diese Beteiligung, so habe ich das verstanden, durch Übernahme von Bankkrediten und Darlehen.
Ausgabepreis: 850,00 EUR
- 750,00 Genossenschaftsanteil
- 68,00 EUR „Eintrittsgeld“
- 32,00 EUR Verwaltungspauschale
Wann kann ich FCSP eG Anteile erwerben?
Geplant ist der 19.10.
Ab dem 7.10. können Vorgemeldete zeichnen, alle anderen ab dem 10.11.24.
Warum eine Genossenschaft?
Der FC St. Pauli ist seit den Chaosjahren Anfang des Jahrhunderts zu einem finanziell gesunden Verein herangewachsen (zumindest, wenn man Corona rausrechnet). Das ordentliche Haushalten ist dem Verein als gebranntes Kind dabei so wichtig, dass manchmal die Haushaltsdisziplin vor der Finanzierung von Visionen steht.
Die jüngste Idee, mit DIIY eine eigene Ausrüstermarke zu etablieren, könnte auch daran gescheitert sein, dass der Verein einfach keinen Spielraum hat, um langfristige Projekte aus dem aktuellen Haushalt zu finanzieren. Neben einem drohenden Abstieg muss da nur eine Pandemie dazwischen kommen, um das ganze kaufmännische Gerüst unter Druck zu setzen.
Da erscheint es sinnvoll, das Bundesliga-Tagesgeschäft von den Investitionen zu trennen
Wieso eine Genossenschaft die geeignete Form darstellt?
Genossen klingt nicht nur basisdemokratisch, diese Rechtsform ist es auch: egal wieviel eine Genoss:in einzahlt, sie hat eine Stimme in der Genossenschaftsversammlung. Eine Genossenschaft ist ein Unternehmen von Gleichen unter Gleichen. Das passt sehr gut zum FC St. Pauli.
Was finanziert die St. Pauli Genossenschaft?
Am Anfang konzentriert sich die eG auf Einnahmen aus der Verpachtung des Stadions. Kurz gesagt: die Genossen kaufen 54% des Stadions und verpachten dieses an den Verein zurück.
Wie wird der Verein die Millionen verwenden? In der Bundesliga-Winterpause könnte man ja den ersehnten 15-Tore-Stürmer kaufen… fragt das HA…
Engelbracht: „Für uns steht an erster Stelle, dass wir den Verein damit fast komplett entschulden können. So wollen wir die Darlehen für das Stadion vorzeitig tilgen. Dies hat ein Volumen von rund 15 Millionen Euro. Die weiteren Gelder wollen wir verwenden, um die Corona-Darlehen zurückzuzahlen. Es ist auch für die Genossenschaft sinnvoll und wichtig, dass der Mieter des Stadions, also der Verein, wirtschaftlich und finanziell so stabil wie möglich auf beiden Beinen steht.“
Ist die FCSP Genossenschaft eine lohnende Geldanlage?
Es scheint mir, dass die FCSP eG ein Handicap hat: durch die Schuldentilgung bleibt weniger übrig, um den „anderen Fußball“ zu modellieren.
Auch scheint es als Geldanlage wenig attraktiv, was wohl nur Fans anspricht. 2% Inflationsausgleich werden angestrebt, also nicht garantiert. Es kann gut sein, dass Genossen auf eine Dividende sogar verzichten müssen.
Wenn alles glatt läuft braucht es knapp 7 Jahre, um den Ausgabeaufschlag von 100 Euro wieder reinzuholen.
Ich irre mich hoffentlich und viele sehen das anders, denn diese Idee hat das Potenzial, den Fußball zu verändern.
Was könnte die Genossenschaft noch Schönes finanzieren?
Das NLZ:
die Investition in „Steine statt Beine“ hat Tradition beim FC St. Pauli. Der Ausbau der Kollaustrasse ist ein Riesenprojekt in Zeiten steigender Zinsen und anfälliger Lieferketten; es machte absolut Sinn die Finanzierung, den Bau und das Risiko aus dem Verein und der Profiabteilung auszulagern.
Den Betrieb und den Ausbau des Millerntor-Stadions.
Unser Stadion ist nicht nur ein Schmuckstück, es fungiert auch als wichtigstes Asset einer nachhaltigen Finanzierungsidee: die braucht Sicherheiten. Ich habe scherzhaft mal ggü Vereinsvertretern bemerkt, dass das schon Chuzpe hat, den Mitgliedern ihr eigenes Stadion „nochmal zu verkaufen“; die ideelle Verknüpfung von Stadion und Genossenschaft zur Generierung von Kapitaleinlagen war mW Rettigs Idee – und wird funktionieren 😉
Nachwuchs und Spieler:innen.
Seit Ewald Lienen zum Außenminister des FCSP ernannt wurde, träume ich von einer anderen Herangehensweise an das Entwickeln und Binden von angehenden und bestehenden Profifußballern an den FC St. Pauli und Kooperationen mit internationalen Vereinen.
Grds. sehe ich die Fragen: wer sind die Genossen mit der hohen Einlage und der kleinen Stimme? Gibt’s die überhaupt?
Vor allem nachdem das Tagesgeldkonto wieder Zinsen bringt.
Den Stadionbetrieb könnte ich mir vorstellen, als nächstes. Das ist locker soviel wert, dass man 49% in die Genossenschaft legen und aus dem operativen Gewinn die Genossen bedient. Ne Art kleines Edeka 😉
Die internationale Genossenschaft cooler Vereine
Celtic, Tel Aviv, Babelsberg, Altona 93 – der FC St. Pauli und seine Fanschaft pflegt freundschaftliche Kontakte zu internationalen Vereinen. Eine Genossenschaft könnte diese auf eine Geschäftsebene heben: bei der Ausbildung, dem Transfer und der Bindung von jungen Profis.
Was Red Bull mit seinem Sponsoring-Ansatz gelang, könnte eine solche international ausgerichtete Genossenschaft weniger brutalkommerziell nachbauen.
Erfolgreich können solche Modelle sein, wie der Blick in andere Bereiche zeigt. Die als Einkaufsgenossenschaft Kieler Einzelhändler gegründete Genossenschaft gibt es noch heute, wie kennen sie als Marktführer unter dem Kürzel EDEKA.
Ich bin fest davon überzeugt, dass der FC St. Pauli – der weiter Profifußball spielen will, um die „Plattform St. Pauli“ erfolgreich zu platzieren – nicht darum herum kommt, die Politik der „schwarzen Null“ zu verlassen und Investitionen und Investoren anzuziehen.
Dass dies nicht nach dem Modell Uerdingen oder Union passieren darf, versteht sich von selbst. Eine Genossenschaft passt da viel besser.
Eine Genossenschaft ist kein Schuldentilgungstrick
Ein wenig irreführend ist die Rezeption von Okes Vorstoß in den Medien; dort wird die Ankündigung der Genossenschaft direkt mit dem Fehlbetrag des FC St. Pauli in Verbindung gebracht.
Das liegt nahe, zielt aber am Wesen der Idee vorbei. Investitionen sind kein geeignetes Mittel, um Verluste zu kompensieren; und das hat sicher beim FCSP auch keiner vor. Eher die Lehre daraus, beides aus einer Kasse wuppen zu wollen.
Update: Hoffentlich irre ich mich da nicht. Siehe oben.
Was ist eine Genossenschaft?
Eine Genossenschaft ist eine autonome Vereinigung von Personen, die sich freiwillig zusammenschließen, um ihre gemeinsamen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse und Bestrebungen durch ein gemeinsam besessenes und demokratisch kontrolliertes Unternehmen zu erfüllen[1][3][5][7][9]. Die Genossenschaftsmitglieder leisten eine Einlage, um die Genossenschaft zu unterstützen und ihre Ziele zu erreichen[2].
Es gibt verschiedene Modelle, um Fußballklubs genossenschaftlich zu organisieren. Ein Modell ist die eingetragene Genossenschaft (eG), die ähnliche Strukturen wie ein Verein aufweist und den Interessen der Mitglieder durch das genossenschaftliche Selbstverwaltungs- und Demokratieprinzip gerecht wird[6]. Dieses Modell wird als kaufmännische Fortsetzung des Idealvereins bezeichnet und könnte den Zwiespalt zwischen traditioneller Vereinskultur und den Anforderungen an moderne Sportvereine lösen[6].
Ein weiteres Modell ist die Gründung einer Genossenschaft, deren Mitglieder eine Einlage leisten. Dieses Modell wurde vorgeschlagen, um die Wettbewerbsfähigkeit von Bundesliga-Vereinen zu erhöhen, die nicht in Kapitalgesellschaften ausgegliedert wurden[2].
Es ist jedoch zu beachten, dass die Wahl der Rechtsform des Fußballclubs auch Auswirkungen auf die Finanzierungsmöglichkeiten hat. Insbesondere kleinere Vereine in der 2. und 3. Fußballbundesliga könnten Schwierigkeiten haben, die hohen Kosten, insbesondere im Personalbereich, zu decken[4].
Die Gründung einer Genossenschaft ist jedoch deutlich erleichtert und insbesondere kleinere Genossenschaften sind von bürokratischem Aufwand entlastet[8]. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass das Modell der Genossenschaft im deutschen Profifußball ein absolutes Novum wäre[10].
Citations:[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Cooperative[2] https://archiv.faszination-fankurve.de/index.php?folder=sites&head=Genossenschaft-statt-Kapitalgesellschaft&news_id=9391&site=news_detail[3] https://www.collinsdictionary.com/us/dictionary/german-english/genossenschaft[4] https://www.grin.com/document/280092?lang=en[5] https://en.langenscheidt.com/german-english/genossenschaft[6] https://www.bisp-surf.de/Record/PU200507001569[7] https://dictionary.cambridge.org/us/dictionary/german-english/genossenschaft[8] https://bachelor-master-publishing.de/document/298124[9] https://en.wiktionary.org/wiki/Genossenschaft[10] https://www.horstmann-consulting.de[11] https://en.wikipedia.org/wiki/Eingetragene_Genossenschaft[12] https://blogs.taz.de/hausblog/taz-grunder-kein-fusballklub-hat-eine-so-grose-fanschaft/[13] https://www.wordhippo.com/what-is/the-meaning-of/german-word-genossenschaft.html[14] https://de.linkedin.com/posts/gerd-thomas-5371848a_veganes-essen-holzstadion-bambusleiberl-activity-6876192892130484224-KKnV?trk=public_profile_like_view[15] https://www.reddit.com/r/germany/comments/32b2lb/what_is_meant_by_gennossenschaftwohnungen/[16] https://www.linguee.com/german-english/translation/genossenschaft.html
Das ist so krasser Bullundsoweiter, da fehlen mir fast die Worte. OK, nur fast, etwas Senf muss. Ein Anteil kostet nicht, wie im Titel, 850,- sondern 750,-. DAS ist der Buchwert. die 100,- einmaliger Kosten sind, verglichen mit gerne kritisierten Bank- oder Versicherungsprodukten eine exotbitant erhöhte Abschlussgebühr. Das Erste, das die Zeichner abschreiben müssen. Ein erheblicher Teil der restlichen Anleihe wird auch, aus Gesichtspunkten der Geldanlage, angeschrieben. Doch Lob dem Göttlichen, die soziomoralische Dividende stimmt wahrscheinlich und bei netterweise nur 1,6 Anteilen pro Zeichner wird sie den finanziellen Verlust auffangen. Naja, und wenn nicht, geht wohl kaum ein Verblendeter wegen 1200,- verlorener Einlage (1400,- Investition) ernsthaft vor Gericht.
Ganz traurige Nummer jedenfalls, hoffentlich wird sie medial nicht zu hoch gehängt.
@stpop Würde mich freuen, wenn auch die anderen Abteilungen davon profitieren: Rad, Rugby, Schach
@stpop Kühne (!) Idee 😅
genau mein Humor.
Unabhängig davon, dass ich die angestrebte Summe von 30 Millionen als zu hoch gegriffen erachte, frage ich mich, wie man hierbei Missbrauch auszuschließen gedenkt.
Was, wenn sich die Orks, die Bomberjäckchen und die Hauptstädtenaus Sachsen zusammen tun, Mitglieder werden und mittels Anteilen den Verein unterwandern?
Gute Frage.
Soweit ich weiß, müssen Genossinnen freigeschaltet werden, wenn sie aufgenommen werden.
Wobei man bei Konstrukten, ja auch viel verschleiern kann.
Nachher kauft uns Red Bull durch die Hintertür ;(
Frage: Kann man als Fanclub einen Anteil kaufen oder geht das nur als juristische Person. Fanclubs sind in der Regel ja nur lose und mehr oder weniger informelle Vereinigungen.
Ich verstehe nicht ganz, warum 1,6 Anteile pro Zeichner und warum ein Anteil so exorbitant teuer sein muss. Am Ende geht es ja um eine virtuelle Summe, sowohl was das eingenommene Geld, als auch die Höhe der Anteile angeht.
Man würde doch einen deutlich größeren Anteil St.Paulianer erreichen, wenn die Kosten eines Anteils bei 50€ liegen. Jeder der gerne 1000 € in die Genossenschaft investieren möchte, kauft dann halt 20 Anteile. Stimmberechtigt wären am Ende alle gleich, was ja auch der große Wurf einer Genossenschaft wäre.