It’s my drama and I cry, if I want to

FCSP x FCK 2:0

Ich höre zum Einschlafen öfter mal einem indischen Guru bei dem zu, was Gurus so machen: Sonor reden. Besser gesagt, ich höre seiner deutschen Übersetzerstimme zu; die ist so beruhigend und im Kern freundlich – Grüße gehen raus an M., die unseren Podcast immer zum Einschlummern nutzt; ob das ein Kompliment ist, dürft ihr entscheiden 😉.

Im Kern geht es in den Sinnsprüchen des Gurus darum, dass unser Verstand die ganze Welt zu einem Drama macht; wir machen uns unser Drama selbst. Die Buddhisten nennen das Anhaftung. Und an was kann man als St. Paulianer mehr angehaftet sein, als an den magischen FC?

Am Spieltagsmorgen wache ich früh auf. Ich hatte das Fenster im Schlafzimmer einen großen Spalt offen gelassen und nun kroch die nasse Kälte des Morgens unter meine Decke. Eine klamme Kälte, die den ganzen Tag anhalten sollte – hui, war ich durchgeklappert nach dem Spiel.

Beim Kaffe nahm dann das Drama seinen Lauf; M. rief an und wollte mit mir das Netz besprechen, dass der FC St. Pauli in sechs Wochen nicht repariert bekam und das auch zum ersten Spiel 2024 unsere Sicht auf das Spielfeld behindern – schlimmer noch, uns auf der Nord weiter ausgrenzen würde; abschneiden von dem, was wir einen Teil von uns selbst betrachten: dem Millerntor.

„Es ist mir ein Rätsel“, sagt M., „wie man ein solches Netz anbringen kann, das nur Fachkräfte alle Monate mal bearbeiten können? – Da kann man ja Hopfen hochranken lassen, so stabil ist das“.

„Ja, ja, der Fachkräftmangel“, antworte ich und merke, dass mich das Thema einholt, von dem ich hoffte, dass es in 2023 liegen geblieben ist. Jaja, da war es wieder das Drama, das selbst gemachte. Ich könnte das Thema doch eigentlich auch ignorieren, das so sehen, wie die Unbeteiligten auf Facebook, die immer darüber schrieben, dass der gütige Verein doch wohl wisse, was er tue.

„Ich bin wohl noch weit weg vom Buddha-Status“, lache ich gequält ins Telefon. Immerhin, nun weiss ich, was mich am Monsternetz so nachhaltig piekst. Kaum habe ich es gedacht, sagt M. es schon: „Auf der Süd wäre das Netz keine Woche alt geworden. Aber mit uns Mitgliedern 2. Klasse auf der Nord kann man das ja machen.“

W. kommt in das Gespräch dazu und schafft das, was M. und ich nicht schaffen – er holt uns aus dem Doom-schnackig heraus. „Wichtig ist doch, dass wir und die anderen uns im Stadion treffen – schiet auf den Verein und das Netz“. OK, darauf können wir uns einigen. St. Pauli ist eben ein Menschending. W. scheint sehr viel näher dran zu sein, das Drama zu kontrollieren, denke ich noch und lasse mich ein – auf die Nord, auf das Netz, die Region.


„Achtet mal auf die ’36′“, sagt Willi, als wir ganz am linken Rand der Nord im nasskalten Zug stehen, der von Südwest nach Nordost genau durch unsere Unterhose und um unseren Nacken weht. Während des Spiels dreht sich Willi immer mal wieder um, wenn unser Neuzugang aus Köpenick den Ball erobert und gleich wieder gefährlich nach vorne paßt. Ich nicke dann: habs gesehen, W.

„Kein Wunder, dass es für Kemlein keine Option gab“, sagt S., den wir wie immer vor der Domwache aufgegabelt haben.

Ein Viertel des Spielfeldes kann ich sogar ohne Netz sehen – und ja, es ist ein Unterschied. Die Boys in Brown tun alles, um mich aus meinem Drama in ein anderes zu holen; und das machen sie gut.

Vorher hatte mich schon Daggi aus den trüben Gedanken geholt, als sie bei der Vorstellung von Hürzibaby ein stummes Fragezeichen anhängte: „unser Trainer ist und … bleibt …(?) … Fabian? …“ Wundervoll. Auch die Edukation des Stadions, wie wir Maurides – Junior nämlich – begrüßen wollen, lädt mich wieder fast voll auf. Gibt es etwas Besseres, um Spieler und Stadion zu verknüpfen – anzuhaften?


Die Demo am Freitag wirkt auch im Stadion noch nach, auch wenn wir keinen Roarr hinbekommen bei „ganz Hamburg hasst die Afd“. Im Stadion hassen auch alle die DFL. Ich hafte ja bei dem Wort „hasst“ nicht so gut; aber OK. Ich weiss ja, wie das gemeint ist.

Immerhin, auch das ist neu in 2024, wir halten die Null und schießen Tore. Zwei mehr als der Gegner – der allein in vier Minuten sieben Mal das Tor hätte teffen müssen. Musste mir den Slapstick (ja sorry, ist so) im TV ansehen; durch das Netz ging das nicht. Konnte nur hören, dass der Ball wohl auch nicht ins Netz ging.

Ein spannendes Spiel, das die Boys zu recht gewinnen. Nur das mit dem Toreschießen muss irgendwie besser werden, nörgelt D. Wir werden hier noch zur Meckerecke Nord, denke ich kurz und wische den Gedanken beiseite. Denn diesmal stehen wir etwas weiter unten, und das neben sehr netten Leuten, die nicht das ganze Spiel keifen und an unseren Jungs rumkritteln.

Spieler des Spiels wird mal wieder Marcel Hartel – und das trotzdem er Handschuhe trägt. 😉

Am Nachmittag mache ich mir ein widerständiges Rosenkohlpesto und schaue viel Fußball im Fernsehen; alter, was hatten wir für einen Sott, dass Kaiserslautern so vergeigt hat und wir Manolis auf der Linie haben.

Eine Antwort

  1. […] hatte gegen Düsseldorf meinen selbstauferlegten Bierboykott beendet (das Monsternetz war ja nu abgebaut) und hatte schon ein paar Halbe intus, als ich nach dem Abpfiff die Gegengerade […]

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